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Rigi

«So verträgt es noch mehr Gäste am Berg»

Nach dem Widerstand gegen die «Disneyfizierung der Rigi» nimmt der CEO der Rigi Bahnen Stellung zu den Vorwürfen. Stefan Otz sagt, welchen Fehler man gemacht hat, wie es weitergehen soll und warum man nicht stärker auf die Bedürfnisse einheimischer Gäste setzt.
Stefan Otz, CEO der Rigi Bahnen AG, weht ein rauer Wind entgegen.
Bild: Pius Amrein, Luzerner Zeitung

Lena Berger

Stefan Otz, innert einer Woche haben 1000 Personen eine Petition unterschrieben, die nachhaltiges Wachstum an der Rigi fordert. Sind Sie überrascht?
Nein, das wundert mich nicht. Es bedeutet aber nicht, dass die ganze Rigi gegen die Rigi Bahnen wäre. Die Petition, wie sie jetzt vorliegt, könnten wir bedenkenlos mitunterzeichnen. Denn es steht nichts drin, was dem Masterplan zuwiderlaufen würde. Ganz im Gegenteil. Wir wollen ja gerade einen naturnahen Ausbau.

Die Petition zeigt aber deutlich das Unbehagen der Bevölkerung gegenüber dem Massentourismus. Primär wurde sie von Stadtluzernern unterschrieben. Ist das ein Zufall?
Den Tourismus zu hinterfragen, ist ein neues Wohlstandsphänomen. Das sieht man nicht nur an der Rigi, sondern an vielen Orten, die von internationalen Gästeströmen betroffen sind. Die Haltung der Luzerner kam bei der Abstimmung über die Inseli-Initiative zum Ausdruck, die trotz Warnungen der Touristiker angenommen wurde. Das muss man ernst nehmen.

In Barcelona und Venedig sind Einwohner schon auf die Strasse gegangen wegen der Touristenströme. Woher kommt das?
Ich erkläre mir die Ablehnung mit dem Dichtestress und der Sehnsucht nach Authentizität. Jahrelang drehte sich bei uns Touristikern alles darum, Gäste zu holen und zu halten. Jetzt müssen wir die Bevölkerung vermehrt ins Boot holen, damit die grosse Nachfrage erfolgreich abgewickelt werden kann. Für den Tourismus ist das die neue Hauptaufgabe. Dazu gibt es bislang aber weder Lehrbücher noch Patentlösungen.

Welche Strategie verfolgen die Rigi Bahnen diesbezüglich?
Die Bevölkerung unserer Standortgemeinden Goldau, Weggis und Vitznau erhält seit einem Jahr Einladungen zu kostenlosen Sonderfahrten, mit denen wir uns für die Gastfreundschaft bedanken. Weiter gibt es tarifarische Vergünstigungen für Einheimische. Wichtig ist zudem der Einbezug in konkrete Projekte, die umgesetzt werden sollen.

Das funktioniert nur bedingt, wie der Widerstand gegen den Masterplan zeigt. Haben die Rigi Bahnen den Konflikt zwischen Einheimischen und Touristen bei der Kommunikation unterschätzt?
Der Masterplan besteht aus einem Pflicht- und einem Kürteil. Bei ersterem geht es um den Gästekomfort am Berg und den Weiterbestand der Rigi Bahnen. Der grösste Teil unserer Investitionen zielt auf neues Rollmaterial, einen Ersatz der Luftseilbahn Weggis–Kaltbad und den Umbau der Gästeankunft Kulm ab. Dafür brauchen wir die jetzt laufende Kapitalerhöhung. Der Kürteil besteht aus den von uns kommunizierten «Inszenierungen am Berg». Wenn wir einen Fehler gemacht haben, dann ist es, dass wir in der Kommunikation den Fokus zu stark auf den Kürteil gelegt haben und dem Pflichtteil zu wenig Beachtung geschenkt haben, weil wir davon ausgingen, dass dieser bekannt sei.

Die Petition fordert, dass alle Akteure im Rahmen eines Mitwirkungsverfahrens einbezogen werden sollen. Ist ein solches angedacht?
Der Dialog wurde unsererseits immer explizit angeboten, seitens der Initianten der Petition aber ausgeschlagen. Am 21. November wird es nun einen runden Tisch geben, an dem sich die verschiedenen Exponenten austauschen können. Wenn es vom Planungsstand her Sinn macht, werden wir die Bevölkerung selbstverständlich in die Umsetzung des Masterplans einbeziehen. Aber im Moment gibt es – abgesehen vom Ersatz der Luftseilbahn – kein einziges Projekt, das schon in diesem Stadium ist. Der Masterplan selbst wurde übrigens in Zusammenarbeit mit allen Akteuren an der Rigi erarbeitet. Das beweist, dass es uns ernst damit ist, breit abgestützte Lösungen zu finden.

Vieles ist noch nicht konkret, das Ziel aber ist klar. Mit dem Masterplan sollen Wachstum und Rentabilität gestärkt werden. Schon heute zieht die Rigi fast 800 000 Menschen pro Jahr an. Wie viele Besucher braucht es, damit die Rigi Bahnen rentabel bleiben?
Es gibt verschiedenste Berechnungsmodelle, wie dieses Wachstum in Zahlen ausgedrückt aussehen könnte. Mit unserer Stärke im Schweizer Markt haben wir eine Substanz, auf die wir aufbauen können. Aber wie sich die internationalen Märkte entwickeln, ist schwer zu prognostizieren. Ich sage es so: Wir haben nicht die finanziellen Mittel, die Infrastruktur derart neu auszurichten, dass es in absehbarer Zeit eine Verdoppelung der Besucherströme geben könnte. Unlimitiertes Wachstum ist nicht möglich.

Wie weit reicht die Spannbreite der verschiedenen Berechnungsmodelle?
Das wäre Kaffeesatzlesen. Ich sage einfach: Die Entwicklung hat Grenzen. Es geht nicht um eine konkrete Zahl, sondern um die Frage, was der Berg verträgt.

Und wer entscheidet, wie viel er verträgt? Finanzieller Druck dürfte da doch durchaus eine Rolle spielen.
Das Rezept ist nicht, die Spitzenzeiten stärker auszubauen, sondern die Tagesrandzeiten besser zu nutzen und den Winter zu stärken. So ist ein Wachstum möglich, ohne dass der Berg leidet.

Vor der «Zerstörung des Tourismus durch den Tourismus» wird schon seit Jahren gewarnt. Gemeint ist damit, dass ein Ort durch die Massen das verliert, was ihn attraktiv macht. Im Fall der Rigi das Naturerlebnis. Welche Antworten hat der Masterplan auf dieses Problem?
Wir entwickeln unser Angebot dort weiter, wo wir jetzt schon Tourismus haben: in Kulm, Staffel, Kaltbad und Scheidegg. Wir konzentrieren uns auf diese Achse. Mit dem Effekt, dass man nur zehn Minuten von den touristischen Trampelpfaden entfernt die Natur und die absolute Ruhe geniessen kann. Man ist so schnell weg von den Touristenströmen wie auf kaum einem anderen Berg. Wir machen zudem keine Neubauten, sondern Ersatzinvestitionen. Ein Beispiel: Das künstliche Eventzelt auf Rigi Staffel soll abgebrochen und durch eine Alpwelt aus Holz und anderes Naturmaterial ersetzt werden. Was gibt es Nachhaltigeres, als einen Fremdkörper am Berg zu eliminieren und durch etwas zu ersetzen, das zum Ursprung und der Tradition des Berges passt?

70 Prozent Ihrer Gäste stammen aus der Schweiz. Warum konzentrieren sich die Rigi Bahnen nicht stärker auf deren Bedürfnisse?
Wir machen keine spezifischen Angebote für bestimmte Besuchergruppen. Wir brauchen auch die asiatischen Gäste, um unsere unternehmerische Entwicklung voranzutreiben. Es wird deshalb aber kein asiatisches Restaurant an der Rigi geben. Wir bringen ihnen unsere Kultur näher.

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