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Gewalt

Studie zu elterlicher Gewalt

Ein Fünftel der Jugendlichen in der Schweiz erlebt zu Hause schwere Gewalt. Das zeigt eine Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.
Ein Fünftel der Jugendlichen in der Schweiz erlebt zu Hause schwere Gewalt. (Symbolbild)
Bild: KEYSTONE/ALEXANDRA WEY

Eltern schlagen Kinder demnach mit einem Gegenstand oder mit der Faust. Sie treten oder prügeln sie. Weitere zwei von fünf Kindern sind leichter Gewalt ausgesetzt wie einer Ohrfeige. Über die Studie berichtete am Freitag die Zeitung "Nordwestschweiz".

Gleichzeitig beurteilen die befragten 17-Jährigen die Zuwendung, die sie von ihren Eltern erhalten, mit 80 Prozent als hoch. "Zuwendung erfahren die Kinder häufig, wenn alles gut läuft, während die Eltern zu Gewalt greifen, wenn sie selbst gestresst sind", sagte Dirk Baier, der Leiter der Studie, am Freitag der Nachrichtenagentur sda.

Das Zwischenergebnis der Studie ergab zudem, dass mit 40 Prozent die meisten mitunter mit Schlägen erziehenden Eltern aus den Balkanländern Kosovo, Serbien und Mazedonien stammen. An zweiter Stelle sind mit 37 Prozent Eltern portugiesischer Herkunft. Am Schluss stehen Schweizer Eltern, bei ihnen ist jedes zehnte Kind schwerer Gewalt ausgesetzt.

Die finanzielle Situation spielt ebenfalls eine Rolle. Bei Familien, die auf Sozialhilfe oder Arbeitslosenentschädigung angewiesen sind, ist der Anteil der prügelnden Eltern doppelt so hoch wie bei den andern.

Armut als Stressfaktor

Unter den Gründen für die höhere Gewaltanwendung vermutet Baier die Armut, die auch mit Belastungen innerhalb der Familie einher gehe. Zuwanderer seien häufiger Stress ausgesetzt, weil sie häufiger einen prekären sozialen Status hätten, sagte Baier.

In einigen Ländern bestehe zudem die gesellschaftliche Überzeugung, dass körperliche Strafen zur Kindererziehung gehörten, wie das vor einigen Jahrzehnten auch in der Schweiz der Fall gewesen sei.

Das Recht der Eltern, ihre Kinder zur Erziehung körperlich zu züchtigen, wurde in der Schweiz 1978 abgeschafft. Ein ausdrückliches Verbot besteht jedoch nicht.

Bisher haben die Forscher die Hälfte der 10'000 an der ZHAW-Studie teilnehmenden Jugendlichen interviewt. Die Tendenz, die bisher ersichtlich sei, werde sich bis zum Abschluss der Untersuchung bestätigen, selbst wenn einige Prozentpunkte abweichen werden, sagte Baier. Insgesamt sei Gewalt als Erziehungsmethode in der Schweiz seit einem Jahrzehnt rückläufig.

Psychische Gewaltanwendung war nicht Gegenstand der Studie. Er könne sich vorstellen, dass die Unterschiede zwischen einheimischen und Zuwandererfamilien kleiner seien, wenn psychische Gewalt ebenfalls untersucht würde, sagte Baier.

Debatten nötig

Baier ist der Meinung, dass die Einführung eines Gesetzes, das die körperliche Strafe als Erziehungsmethode ausdrücklich verbietet, Debatten auslösen und damit eine entsprechende Sensibilisierung der Gesellschaft fördern könnte.

In Deutschland ist die Züchtigung von Kindern seit dem Jahr 2000 verboten. Dort ergab eine Studie zu 15-Jährigen, dass nur knapp 13 Prozent von ihnen schwerer elterlicher Gewalt ausgesetzt sind. Das Thema Gewalt wird auch an Elternabenden besprochen.

Einwanderer müssten ebenfalls besser erreicht werden, sagte Baier. In Deutschland wurden etwa in der Tageszeitung "Hürriyet" Artikel zum Thema gewaltfreie Erziehung veröffentlicht. (sda)