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Klimawandel

Einzigartiges Wald-Experiment

Ein europaweit einmaliges Langzeitexperiment zu Folgen des Klimawandels wird im Baselbieter Jura bei Hölstein BL vorbereitet: Die Uni Basel will dort fast 1,5 Hektaren Wald 20 Jahre lang beobachten und Dürre mittels Regendach simulieren.
Ein 50 Meter hoher Baukran wird in Hölstein BL installiert. Er erlaubt es den Forschenden, in den Baumkronen Beobachtungen anzustellen.
Bild: Universität Basel

Ökologische Versuche laufen meist nur drei bis fünf Jahre, doch Bäume wachsen sehr langsam - Rotbuchen etwa können 300 Jahre alt werden. In Hölstein nimmt die Universität Basel eine ausgesucht artenreiche Karst-Hügelkuppe unter die Lupe, wo kein Wasser unterirdisch von aussen einsickert und Grundwasser fern ist.

Herausfinden will das Team von Professor Ansgar Kahmen, wie hiesige Baumarten auf Trockenheit reagieren und ob ausgewachsene Bäume ihren Stoffwechsel anpassen können. Besonders relevant ist dabei, ob der Wald bei höheren Temperaturen und weniger Niederschlägen in der Lage ist, wie bisher grosse Mengen Kohlenstoff in Holz und Boden zu speichern.

Kran über Baumkronen

Am Dienstag wurde das weit herum sichtbarste Element des Experiments installiert: ein 50 Meter hoher Baukran in der Mitte des rund 100 auf 100 Meter grossen Geländes. Der soll Forschende per Gondel in die Baumkronen bringen, wo sie Veränderungen etwa am Laub beobachten und Experimente durchführen werden. Der 50 Meter lange Kranarm wird am Mittwoch per Helikopter montiert.

Ende 2019 wird das Regendach installiert - dann beginnt der eigentliche Langzeitversuch. Es besteht wie ein Riesen-Wintergarten aus Kunststoffscheiben an Alu-Trägern gut zwei Meter über dem Waldboden; daraus ragen die Baumstämme hervor. Die Dachscheiben sind motorbetrieben bei Bedarf zu öffnen.

Rund die Hälfte des Niederschlags soll so den Boden nicht erreichen; das abgefangene Wasser wird seitlich abgeleitet. Eine metertief in den Boden eingelassene Folie trennt zudem die trockene Versuchs- von der naturbelassenen Vergleichsfläche. Referenzdaten werden an der Kranspitze gemessen.

Stürme, Schweine und Mäuse

180 Baumstämme haben nun Umfang-Messbänder für Wachstumsdaten erhalten, und 30 metergrosse Netztrichter erfassen den Laubfall, der CO2 in den Boden bringt. Beobachtet wird unter anderem auch das für die Bäume elementare Pilzgeflecht im Waldboden. Gitterrost-Stege verhindern Trittschäden durch die Forschenden.

Zum dauerhaften Schutz der diversen Installationen vor Vandalismus und vor allem vor Wildschweinen wird das Versuchsareal zwei Meter hoch eingezäunt. Dies verhindert zwar Reh-Verbiss am Jungwuchs, was letzteren unnatürlich schützt, doch dies werde berücksichtigt, hiess es.

Schützen muss man übrigens auch die Kabel der teuren Elektronik - vor Mäusezähnen: Der Zaun hält auch Füchse fern, die sonst die Mäuse dezimieren. Keinen Schutz gab es derweil vor Sturm Burglind, der 16 stattliche Bäume im Areal kappte.

Relevanz rechtfertigt Kosten

Die Infrastruktur mit dem eigens gebauten Personenkran samt 80-Tonnen-Betonsockel kostet über zwei Millionen Franken. Die Betriebskosten sind laut Kahmen noch nicht bezifferbar, da von Drittmitteln abhängig. Hauptträger sind die Uni Basel, der Bund und der Schweizerische Nationalfonds. Die Uni Basel will mit anderen Forschenden zusammenarbeiten, darunter die Unis Bern und Zürich und die Bundes-Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Laut Uni rechnen neue Klimaprognosen damit, dass bis im Jahr 2085 die Niederschläge in der westlichen Schweiz bis zu einen Fünftel kleiner ausfallen als heute. Der Hölsteiner "Schoren"-Hügel repräsentiert den Schweizer Mischwald gut; viele Bäume sind 80 bis 150 Jahre alt. Im Kranradius liegen zehn Arten, darunter Rotbuche, Stieleiche, Hagebuche, Fichte, Waldföhre und Weisstanne.

Die Versuchsanordnung ist nicht futuristisch: Zum Beispiel im Hitzesommer 2003 hatten die europäischen Wälder laut Kahmen das Vielfache an CO2 emittiert, das sie in normalen Jahren aufnehmen. Die Mechanismen dieses Phänomens seien noch wenig bekannt und daher auch im Fokus seines Experiments.

Die Folgen jenes Extremjahres seien in Schweizer Wäldern "bis heute deutlich festzustellen", liest man in den Projektunterlagen. So ist neben Forschenden aus ganz Europa auch die Forstwirtschaft auf praktische Hinweise aus dem Experiment gespannt. (sda)